Lieber Hans Werner Bärsch, |
30. September 2005 |
es gibt Menschen, die Scheu haben vor Altersheimen. Diese Heime würden riechen und
hätten den Geruch geschlossener Anstalten. Allzumal dann, wenn auch
Alzheimeralte zu den Pflegebedürftigen gehören. Welch Vorurteil.
Einmal ist es geboren aus der verdrängten Angst, selbst alt und gebrechlich
zu werden, gar von der Demenz heimgesucht. Zum anderen geboren aus der
Tatsache, des noch jung seins an Jahren. Vor allem wohl ist dieses Vorurteil
geschuldet der Unkenntnis des Umgangs mit alten Menschen oder gar Alzheimerkranken.
Ich schreibe Ihnen diesen Brief, weil ich eine Idee habe, die Idee zu
einer Fotoausstellung über das Leben von Alzheimerpatienten. Sie
wird nichts Sensationelles sein: kein Weiden an den Leiden bald Sterbender.
Kein Sabbern, kein Dahinsiechen, keine Körperwelten habe ich im Sinn.
Meine Absicht ist eine andere. Die Würde des Menschen in der Demenz.
Ich will in die Augen der Frauen und Männer schauen, die den Weg
in ihre Kindheit angetreten haben. Ich möchte zeigen, dass diese
Frauen und Männer Emotionen haben. Sie können glücklich
sein, sie könne traurig sein, sie können lachen, sie können
weinen, sie können hundemüde sein oder hellwach, sie können
aggressiv sein oder friedfertig, hungrig oder satt. So wie Sie, so wie
ich.
Alzheimer ist eine Krankheit wie jede andere Krankheit. Mag man mich auch
schelten für diesen Satz. Ich stehe zu ihm. Ich weiß, Alzheimerkranke
müssen anders behandelt werden als Zuckerkranke. Keine Frage. Aber
wie anders müssen sie behandelt werden? Es gibt Medikamente, es gibt
Gehhilfen, es gibt Gedächtnishilfen, es gibt Therapiehunde und Musiktherapie.
All dies hilft, das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten.
Die sprachliche Wendung "behandeln" hat in Bezug auf einen Erkrankten
zwei Bedeutungen. Einmal im Sinne der Therapie. Zum anderen im Sinne des
"mit ihm umgehen". Und da ist Alzheimer in der Tat keine Krankheit
wie jede andere Krankheit. Die Fotos der Ausstellung sollen zeigen, wie
man mit Alzheimerpatienten umgeht. Mit Achtung, mit Einfühlungsvermögen,
mit Konsequenz. Die Berührung einer warmen Hand kann mitunter wichtiger
sein als ein warmes Mittagessen.
Sie werden sich fragen, was solch eine Fotoausstellung dem Betrachter
übermitteln soll. Die Angst vor Alzheimer kann sie nicht nehmen.
Aber die Angst davor, Alzheimer sei schon das Ende. Es gibt ein Leben
nach Alzheimer. Nicht nur für die Erkrankten, auch für deren
Angehörigen. Und dann gibt es noch eine Ästhetik der Bilder.
Die Schönheit des Menschen ist unantastbar. Auch wenn er schwer leidet.
Das steht zwar nicht im Grundgesetz, stimmt aber dennoch.
Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Idee für eine Ausstellung
unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Peschel
zurück zur Übersicht |